Vom Gründer zum Geburtshelfer

Jan Beuck, Lars Hinrichs, Phillip Eissing, Nils Regge - sie alle haben in jungen Jahren mit ihren Geschäftsideen Erfolg gehabt und finanzieren jetzt die nächste Hamburger Gründergeneration

Jan Beuck ist spielend reich geworden, aber das mit harter Arbeit. Der 41-Jährige hat in den vergangenen 20 Jahren als Chef mehrerer PC- und Mobile-Games-Unternehmen viel Geld verdient. Nach dem Verkauf seiner letzten Firma will er jetzt als Investor die nächste Gründergeneration unterstützen. "Kapital ist das Vitamin, das junge Betriebe benötigen, um schnell wachsen zu können", begründet er seinen Rollenwechsel.

Auch seine Erfahrungen will er dabei einbringen. 2001 entwickelten Beuck und sein Freund Martin Jässing ihr erstes PC-Spiel "Restricted Area", "Legend - Hand of God" hieß das nächste PC-Spiel des Duos. Dann begann der Siegeszug der Konsolen endgültig, auch Onlinespiele wurden beliebter. Beuck und Jässing reagierten und stellten auf Online-Spiele um, gründeten 2009 die Firma Playa Games und kreierten das "Shakes & Fidget". Das Spiel mit virtuellen Elfen, Zwergen und Dämonen wurde in 20 Sprachen übersetzt, mehr als 55 Millionen Menschen weltweit registrierten sich. Der Spieler zahlt zunächst nichts, will er sich aber Vorteile sichern, etwa ein neues Schwert zum Kämpfen, muss er es sich kaufen. Beuck und Jässing machten auf diese Weise mehr als 100 Millionen Euro Umsatz. Jahrelang wurden die Playa-Games-Gründer von Konzernen umgarnt. Doch sie zögerten. Beuck: "Sein Kind lässt man nicht so einfach los." Schließlich verkauften er und Jässing doch - für 45 Millionen Euro, gezahlt in Aktien und Cash, an die schwedische Steelfront Group. Beuck blieb als Geschäftsführer an Bord, verabschiedete sich erst Ende 2020, um neue Wege zu gehen.

Jetzt stellt der Familienvater über seine Beteiligungsgesellschaft JB Capital jungen Gründern Geld und Know-how zur Verfügung. Für 200.000 Euro erwarb er zuletzt Anteile an der Life-Science-Firma Proceanis, für 300.000 Euro verkaufte er sie später wieder. "Das hat mich motiviert." Aktuell fördert er das aktuell noch geplante Musikfestival Speedway (7. August, Dockville-Gelände in Wilhelmsburg, hält 50 Prozent an der Spielefirma Master Creating und 39 Prozent an der Insocial Media, einem Unternehmen, das Markenartikler mit Influencern zusammenbringt. Die YouTube-, Facebook-, Instagram-, oder TikTok-Blogger plaudern hier über Klamotten, Getränke oder Möbel, die viele ihrer Follower dann kaufen sollen. "Am liebsten gebe ich mein Kapital Start-ups, die ich selbst gern gegründet hätte", sagt Beuck. Er schaue sich vor allem die Macher an, "denn Start-ups scheitern viel öfter an ihren Gründern als an der Geschäftsidee".

Die vierte Firma, an der der Selfmade-Millionär beteiligt ist, heißt Yourplanet. Die Idee: Ein Monats-Abo für 9,90 Euro als Kompensation für den eigenen CO2-Fußabdruck. Mit dem Geld sollen beispielsweise brasilianische Wälder aufgeforstet und Solaranlagen gebaut werden: "Bei diesem Unternehmen geht es mir nicht ums Geld, sondern nur darum, etwas Gutes zu tun." Diese Firma hat ihren Sitz am Alstertor. "So habe ich einen kurzen Draht zu allen Beteiligten", erklärt Beuck. Das sei genauso wichtig wie das Networking.
Vom Entrepreneur zum Investor wurde zum Beispiel auch Lars Hinrichs (54). Er stammt aus einer Unternehmerfamilie, sein Urgroßvater gründete die Stadtbäckerei. Hinrichs hob 2003 das soziale Netzwerk Open BC (heute als Xing bekannt) aus der Taufe, 2009 verkaufte er die Mehrheit für 48 Millionen Euro an an den Medienkonzern Burda. Als Geldgeber beteiligte sich Hinrichs an mehr als einem Dutzend Firmen, etwa an MyTaxi und das Adtech-Unternehmen YieldKit, beide aus Hamburg. Er suche ausschließlich Unternehmen, "die digitale Problemlöser sind und einen neuen Markt kreieren".

Als einer der ersten Tech-Investoren mit Gründervergangenheit gilt Gottfried Neuhaus, der 1979 im Wohnzimmer seines Elternhauses an der Hochallee mit einem Ingenieurbüro gestartet war. In den späten 1980er-Jahren wurde er als Deutschlands Modem-Pionier gefeiert, der die Datenfernübertragung revolutionierte. 1994 verkaufte Neuhaus seinen 260-Mitarbeiter-Betrieb und startet mit der Venture-Capital-Gesellschaft Dr. Neuhaus Techno Nord (heute Neuhaus Partners). Sie hat rund drei Dutzend Start-ups finanziert, sie an die Börse gebracht wie das Internet-Auktionshaus Ricardo oder wieder verkauft wie die Online-Apotheke DocMorris oder die Telekommunikationsfirma Blau.de.

Phillip Eissing hat eine ähnliche Sammlung vorzuweisen. Er hat seine geschäftlichen Aktivitäten in der Holding JPKE am Neuen Wall zusammengefasst. Der 38-Jährige ist an rund 50 Unternehmen beteiligt, etwa an den jungen Hamburger Firmen Eatclever, ein Lieferservice, Eurelius, eine Plattform, über die auch Privatanleger Geld in alternative Investmentfonds stecken können, und Aeroning, ein Vermittler von Geschäftsflugzeugen. Auch Eissing war in seinem ersten Leben Gründer, entwickelte mit Freunden in der Agentur E2 Internet Technologieprojekte Software für einen Pizza-Bringdienst und für ein soziales Netzwerk. Ein halbes Dutzend Gründungen, Beteiligungen und Exits in der New Economy folgten. Eissing nahm zweistellige Millionenbeträge ein und investierte sie. Seit 2018 führt er die Finanzdienstleistungsfirma Beit Capital Advisors, die ausländischen Großinvestoren bei der Kapitalanlage in Kontinentaleuropa hilft. Bedauerlich sei, dass Hamburg auf der Landkarte der weltweiten Start-up-Szene fast ein weißer Fleck sei: "Die Stadt könnte ähnlich wie Berlin ein Magnet für viele Gründer sein. Dafür müsste der Senat aber mehr tun, kräftiger fördern und die Rahmenbedingungen verbessern, zum Beispiel günstige Büroflächen zur Verfügung stellen."

Eissing sieht sich als Teamplayer: "Die enge Verzahnung mit Investoren, Unternehmern und Beratern ermöglicht die expansiven Strategien und langfristigen Wertsteigerungen, die man allein kaum realisieren kann." Der Familienvater pflegt Kontakte etwa zu Tarek Müller und Nils Regge. Müller, geboren 1988, gründete als 15-Jähriger die Digitalagentur Netimpact, baute mehrere Online-Shops und eine Firmengruppe mit 100 Mitarbeitern auf, die er 2013 an die Otto-Group verkaufte, deren Online-Tochter AboutYou er seither leitet. Außerdem agiert Müller als Business Angel und Geldgeber. Allein der Verkauf ihrer Beteiligung an der Global Marketplace Group, Betreiber der Amazon-Marketing-Agentur Factor-A, brachte seiner Investmentfirma Wald & Wiese Holding einen zweistelligen Millionenbetrag.

Nils Regge (39) wiederum ist einer der erfolgreichsten Investoren Deutschlands. Als Schüler handelte er mit HiFi-Geräten, 2007 gründete er das Ferienhaus-Portal Casamundo, zwei Jahre später verkaufte er es. Mit dem Gewinn startete der Selfmade-Manager den Company Builder Truventuro, unter dessen Dach Firmen wie HomeToGo, Finanzcheck, Videobeat und der Kreuzfahrt-Vermittler Dreamlines groß wurden. Der Wert der Unternehmen, die mit Regges Unterstützung entstanden sind, wird auf über eine Milliarde Euro taxiert. Viel Geld, um es in die Ideen der nachfolgenden Gründergenerationen zu stecken.

Hoffmann, J: Vom Gründer zum Geburtshelfer, in: Welt am Sonntag Zeitung (14. März 20121, Nr. 11, Seite 4. © Alle Rechte vorbehalten. Axel Springer SE, Berlin. Zur Verfügung gestellt vom Welt am Sonntag Archiv.

https://www.welt.de/regionales/hamburg/article228155423/Start-ups-Hier-investieren-erfolgreiche-Gruender-ihr-Geld-in-die-naechste-Generation.html

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